Auf der immerwährenden Suche nach Antworten bin ich auf diese Seite gestoßen. Es ist das erste Mal, dass ich mich in einem Forum zu Wort melde. Die vielen Geschichten haben mich zutiefst berührt, aber auch beruhigt. Ich bin gerade in einem Tief und grabe in der Vergangenheit, was ich falsch gemacht habe, was ich anders hätte machen sollen, war ich zu weich, zu hart, zu wenig konsequent oder zu nachsichtig, usw. Diese Endlosschleife eben, die niemals endet. Hier ein kurzer Abriss meiner Geschichte: Mein Sohn ist 34 und seit 20 Jahren drogensüchtig. Gerade mal die Hauptschule beendet und dann alles nur noch abgebrochen, gelogen, geklaut, betrogen, die ganze bekannte Palette. Hinzu kamen immer wieder Haftstrafen. Er wollte niemals eine Therapie machen, jede Hilfe und jedes Angebot hat er abgelehnt, er wollte immer nur Geld. Ich habe alles versucht, was in meiner Macht stand, doch am Ende war ich machtlos. Das Schlimmste war die Hilflosigkeit, auch die Schuldzuweisungen, jeder wusste genau was ich zu tun hätte, aber helfen konnte mir niemand. Ich fühlte mich als Mutter auch nicht ernst genommen, weder von Ämtern, Polizei, Familie, Freunde. Ich war viele Jahre wie vor den Kopf geschlagen, wie betäubt. Mein Sohn wurde wegen seiner Sucht und den Straftaten mit 20 Jahren aus Deutschland ausgewiesen, obwohl er hier geboren ist und sein Vater Deutscher ist. Er hatte nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Das brachte mich zur Verzweiflung. Ich suchte Hilfe in einer Selbsthilfegruppe für Eltern drogensüchtiger Kinder, wo man mir sagte, wenn er abgeschoben würde, hätte sich ja mein Problem gelöst!?! Ich ging nur 3 mal hin, konnte auch diese schlimmen Geschichten der Eltern nicht ertragen. Mein Sohn lebte also in einem anderen Land. Es folgten viele Jahre mit Auf und Abs und vielen schlimmen Abstürzen, Stress, Hilfe, Abgrenzung, ich meine alles möglich gemacht zu haben, Kontakte geknüpft, Leute an Land gezogen, Wohnung, Arbeit, es hat aber alles nichts gebracht. Er hat 1x eine Entgiftung in Österreich gemacht, 2 Wochen, dann war er wieder weg. Seit 4 Jahren lebt er mit seiner Freundin in einer Wohnung, sie sind beide im Methadonprogramm, haben 2 Kinder bekommen, leben von der Sozialhilfe und werden betreut. Anfangs dachte ich, jetzt hat er die Kurve gekriegt, doch er trinkt, randaliert und ist drauf und dran wieder alles zu verlieren. Ich habe sehr starke Schuldgefühle, weil ich meinen Sohn nicht mehr ertragen kann, er ist mir fremd geworden, sein Verhalten, sein Geschrei, sein Aussehen, ich erkenne ihn nicht mehr. Ich komme nicht an ihn heran. Ich habe Angst um meine Enkelkinder. Ich bin ziemlich am Ende.

Hallo bergia,

es ist schön, dass du hier hin gefunden hast. Einige von uns haben auch schon einige Jährchen hinter sich gebracht mit ihren süchtigen Kindern.Ich selbst bin noch eine von den "neueren", mein Sohn konsumiert seit seinem 15.Lebensjahr, ist heute 19. Wir haben diese Gedankengänge, so wie du sie hast,auch alle gehabt.Und was haben diese Gedanken uns gebracht...nichts.Dieses Forum ist jetzt neu, im alten hättest du an jeder einzelnen Geschichte lesen können, dass jede Mutter immerzu sich die Frage stellte: Was habe ich falsch gemacht, was hätte ich ändern können? Dabei ist mir aufgefallen, als ich dieses Forum zum 1.mal besuchte,das es Kinder aus JEDER Familie treffen kann. Wir haben hier Kinder von alleinerziehendenMüttern, haben Kinder mit beiden Elternteilen, haben Kinder, welche mit ADHS zu tun hatten, hatten aber auch kerngesunde kinder.Hatten welche, die völlig unauffällig waren bis zum Tag X. Mein Junge sagte mir mal ganz deutlich, als ich nach dem Warum fragte: Mama, ihr habt nichts, rein gar nichts falsch gemacht.Ich wollte das probieren, ich fand es toll, ich wollte diese tollen Gedanken haben.
Du siehst, liebe bergia,es kann dein Kind sein oder das Nachbarskind.
Das du nirgendwo Hilfe bekommen hast...mmhh, das kennen wir auch.Die Ämter stellen sich da schon ziemlich taub,die Polizei war hier auch unser täglicher Besuch und dennoch konnten sie uns Eltern nicht helfen.Die von der Drogenberatung waren total nett, aber sie haben auch ganz klar gesagt: Er muss wollen, sonst sind Sie machtlos.
Die Sorgen um deine Enkelchen sind realistisch...ich bin auch Oma.Vielleicht kannst du dir die Kleinen ja ab und an mal borgen, ohne dass du auf deinen Sohn triffst, oder?
Schuldgefühle deinerseits brauchst du nicht haben, wenn du deinen Sohn momentan nicht ertragen kannst,evtl. kannst du dich etwas zurückziehen von ihm. Wie sieht es mit deiner Schwiegertochter aus? Hast du einen guten Draht zu ihr?
Mir hat oft geholfen, im Forum zu lesen, wenn ich ganz unten war und da hatte immer eine(r) Notdienst.
Schreib dir alles von der Seele, auch das kann schon sehr hilfreich sein.

Lieben Gruß
Anne

Liebe Anne,
danke für deine Worte. Ja, du hast vollkommen Recht, es trifft alle, aus jeder Schicht. Es nützt auch nichts in der Vergangenheit zu graben, aber manchmal versinke ich einfach darin.
Ich bin froh, dieses Forum gefunden zu haben. Es hilft schon sehr die ganzen Berichte zu lesen. Ich hatte bisher keinen Austausch.
Mein Sohn und seine Lebensgefährtin leben zusammen mit ihren Kindern, 4 Zugstunden und eine Grenze von mir entfernt, deshalb kann ich sie mir nicht einfach "borgen". Es ist alles ziemlich schwierig und raubt mir viel Kraft, die ich nicht mehr endlos zur Verfügung habe. Mit ihr komme ich ganz gut klar, ich hoffe, sie steht es durch, denn 2 Kinder wurden ihr schon genommen. Sie kann es aber mit meinem Sohn nicht schaffen und allein traut sie es sich wohl nicht zu. Jetzt hat er ihr versprochen, dass er ab 1. Januar nicht mehr trinkt. Eine Therapie lehnt er nach wie vor ab. Wie das ausgeht kann man sich gut ausrechnen.
So viel zur momentanen Situation.
Ich wünsche dir und deiner Familie für das neue Jahr ganz viel Kraft und Glück und dass sich alles zum Guten wendet.
Bergia